Eine Frage, die wir im Kontext des Qualitätsmanagement Familien im Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern immer wieder gestellt bekommen: Wie kann es funktionieren, dass Familien und Paare oder Kinder und Senioren in einem Hotel den Urlaub verbringen und alle auf ihre Kosten kommen? Oder in der Gastronomie Eltern mit ihren Kindern neben einem verliebten Pärchen speisen und alle zufrieden sind? Bei den Erlebnispartnern stellt sich diese Frage interessanterweise fast nie. In Zoos und Schwimmbädern, Museen und unterschiedlichen Freizeiteinrichtungen ist das Nebeneinander in der Regel eine Selbstverständlichkeit.
Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Vielfalt der Bedürfnisse und präsentiert Lösungsansätze für eine erfolgreiche Integration unterschiedlicher Gästegruppen.
Im Spannungsfeld der Bedürfnisse
Die oben gestellte Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Klar ist: Gäste haben unterschiedliche Bedürfnisse, die einen ersehnen sich Ruhe und Erholung (in der aktuellen Gästebefragung MV 2022/2023 steht auf die Frage „Warum haben Sie sich für einen Aufenthalt in der Region entschieden?“ als meist genanntes Kriterium direkt nach der Natur die Ruhe und Erholung https://tourismus.mv/artikel/erste-grosse-gaestebefragung-seit-sieben-jahren), andere suchen Unterhaltung und Abwechslung. Kinder gehören deutlich in die zweite Gruppe und manche ruhesuchenden Erwachsenen können sich durch ihre Lebhaftigkeit und ihre anderen Bedürfnisse irritiert fühlen – ob im Hotel oder beim Essen gehen. Auch für Eltern ist die Situation nicht immer einfach, je nach Umfeld befürchten sie schon vor dem Besuch, dass ihr Kind als störend wahrgenommen wird oder sorgen sich, dass das Geschrei des Babys z. B. andere Gäste vom Schlafen abhält. Hier entsteht ein Konflikt der unterschiedlichen Bedürfnisse, die Menschen haben. Dieser ist nicht lösbar – doch es gibt Möglichkeiten, ihn zu gestalten.
Spezialisierung als Lösung
Auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse reagiert die Tourismusbranche u. a. mit zielgruppenspezifischen Angeboten: Vom Familienhotel (wie z. B. familotels) bis zu adults-only Hotels (z. B. www.gemma.at) und vielen weiteren Spezialisierungen (www.sueddeutsche.de/reise/hotels-jeder-fuer-sich-1.2815833) wie z. B. Hotels für Reisende mit Hund etc., ebenso in der Gastronomie mit Eltern-Kind-Cafés aber auch, wie in letzter Zeit öfter in den Medien diskutiert, Restaurants, in denen Kinder nicht erlaubt sind. Die Hotels und gastronomischen Angebote orientieren sich an den Lebensphasen der Menschen und ihren unterschiedlichen Interessen. Diese Spezialisierung ist eine Möglichkeit den oben beschriebenen Konflikt der Bedürfnisse zu lösen.
Ein bunter Mix – fast jeder mag es anders
Die Vielfalt der Gästepräferenzen zeigt sich darin, dass einige Familien reine Familienhotels bevorzugen, während andere bewusst die Mischung mit verschiedenen Gästegruppen suchen. Paare wiederum entscheiden sich entweder für exklusive Erwachsenenhotels oder schätzen die Diversität des Lebens. Die Bedürfnisse älterer Gäste und Familien haben überraschenderweise oft einiges gemeinsam – von barrierefreien Einrichtungen bis zu früheren Essenszeiten.
Beide Angebote haben demnach ihre Berechtigung, die exklusiven, zielgruppenorientierten Hotels oder gastronomischen Einrichtungen ebenso wie die Angebote, die als Gäste mehrere Zielgruppen ansprechen. Wer sich für eine Teilnahme am Qualitätsmanagement Familien entscheidet, entscheidet sich bewusst für eine reine Ansprache von Familien oder ganz bewusst für ein Nebeneinander der unterschiedlichen Gästegruppen.
Wie kann es gelingen die unterschiedlichen Bedürfnisse zu befriedigen?
Im Folgenden ein paar Anregungen und Good Practice, um das Nebeneinander der unterschiedlichen Gästegruppen zu gestalten:
Angebote
- Programme und Angebote für alle Gäste: Vom Babysitting oder dem Kinderprogramm für die kleinen Gäste, über geführte Wanderungen für alle bis zu Weinproben oder Yoga-Stunden für Erwachsene.
- Saisonzeiten: Die Zusammensetzung der Gäste verändert sich in der Regel nach den Saisonzeiten, schon dadurch entstehen andere Schwerpunkte im Angebot. Einige Hotels positionieren sich je nach Saisonzeit unterschiedlich. In den Ferien wird das Angebot ganz auf Familien ausgerichtet, in der Nebensaison hingegen gibt es ausgewiesene Angebote für Paare und Alleinreisende.
Räume
- Guter Schallschutz in den Gemeinschaftsräumen wie Restaurant, Lobby, Flure (Mehr Anregungen unter https://kinderhotel.info/blog/ruhe-im-kinderhotel-ist-das-möglich-wir-haben-nachgefragt)
- Die Lage des Spielraums und des Spielplatzes - entfernt vom Wellnessbereich und den Zimmern.
- Wickeltische und Kinderbetten erfreuen Familien in den Zimmern, für andere Gäste wirken sie fehl am Platz – gut daher, wenn diese Zusatzausstattung flexibel nur für Familien bereitgestellt werden kann und nicht fest montiert ist.
- Gemeinsame Bedürfnisse gibt es im Rahmen „Reisen für alle“: Abmessungen, die gut für Kinderwagen sind, sind auch gut für Rollatoren, Rollstühle. Die Gäste sehen hier Bedarf, das hat die aktuelle Befragung des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern ergeben, in der die Befragten nur die Note 3,11 zur Zufriedenheit mit Angeboten für Menschen mit Lebenseinschränkungen gegeben haben.
- Ein gutes WLAN erfreut nicht nur Geschäftsreisende, sondern besonders Familien mit älteren Kindern. In der aktuellen Befragung des TMV hat sich gezeigt, dass die Zufriedenheit mit Mobilfunk-Versorgung/WLAN ausbaubar ist, hier gaben die Befragten nur eine Note von 2,59 und damit die schlechteste Bewertung bei der Frage nach der Zufriedenheit mit ausgewählten Angebotsfaktoren.
- Ein Mehr-Generationen-Spielplatz bietet Möglichkeiten für alle (z. B. https://playfit.de/hinweise/mehrgenerationenspielplatz) ebenso wie andere Spielmöglichkeiten wie Outdoor-Halma oder Outdoor-Schach.
- Auch Familienhotels bieten neben den vielen Bereichen für Kinder oft einzelne „Inseln“ an, die für Erwachsene reserviert sind, wie z. B. im Wellness-Bereich, einen Lese-/Ruhe-Bereich etc. (z. B. www.ulrichshof.com/eltern-spa oder www.clubfamily.de/reisemagazin/familienhotels-adults-only-bereiche) oder verschiedene Zeiten für die Nutzung z. B. des Pools (Im Haus Hirt ist die tägliche Splash Time im Pool für Kinder reserviert – mit Toben, Schwimmnudeln und Spielzeug und viel Spaß. www.haus-hirt.com/familien/kinder) oder den exklusiven SPA-Bereich nur für Erwachsene (https://riederalm.com/de/wellnesshotel-leogang/mountain-spa). Ein weiteres Beispiel: Im Hotel Reiters Reserve www.reiters-reserve.at/reserve gibt es zwei Häuser, eines für Familienurlaub, eines exklusiv für Erwachsene.
Gastronomie
- Wenn möglich, mehre Räume/Nischen/Bereiche schaffen, z. B. einen Bereich mit Spielmöglichkeiten, wo sich besonders Familien mit kleinen Kindern gerne platzieren – das entspannt auch die Eltern.
- Toll, wenn Familien in der Nähe des Buffets sitzen können, das erspart lange Wege und führt somit zu weniger Unruhe.
- Für Paare gibt es einen Candle-Light-Dinner Raum – kinderfrei – auch für viele Eltern attraktiv (www.ulrichshof.com/wohlfuehlpension/#fine-dining – besonders wenn es eine Abendbetreuung für die Kinder gibt.
- Das Angebot unterschiedlicher Essenszeiten und/oder ausgedehnter Speisezeiten kann die Situation entspannen. Ebenso eine Kindertafel, an der die kleinen Gäste schon vor der allgemeinen Speisezeit oder
Kommunikation
- Alle Zielgruppen sollten sich in der Kommunikation angesprochen fühlen. Das Nebeneinander von Familien, Paaren, Groß und Klein sollte sich in Wort und Bild wiederfinden, so wissen alle, was sie erwartet und fühlen sich willkommen: Ein Beispiel von der Seite des Hotel Eschenhof www.eschenhof.at/de/alpine-slowness, das in der Bewerbung ihrer Packages Familien und Ruhesuchende anspricht: „Verschnaufpakete: Ob Gipfelstürmer, Herrchen oder Familienmensch: Unsere Pauschalen schenken Ihnen Zeit für Ihre Herzensangelegenheiten"
- Bei Webseiten helfen verschiedene Landingpages für unterschiedliche Zielgruppen dabei, dass jeder das für ihn passende Angebot findet, alternativ eine eindeutige Navigation, sodass sich Familien, Paare, Alleinreisende wiederfinden. (Wie beim Naturhotel Chesa Valisa, hier werden die Zielgruppen angesprochen: www.naturhotel.at/familienhotel-kleinwalsertal)
- Vor Ort hilft eine zielgruppenspezifische Ansprache, alle mit den für sie wichtigen Informationen zu versorgen, z. B. mithilfe von Apps oder einer digitalen Gästemappe. So erhalten Familien bspw. die Angebote über das Kinderprogramm und Paare Informationen zu Veranstaltungen, die sie ansprechen.
- Mitarbeiter, die um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gäste wissen und es schaffen, sie zielgruppengerecht anzusprechen.
- Eine gute Kommunikation ist für alle Gäste verständlich (auch Kinder werden altersgemäß angesprochen, barrierefrei), schafft Verständnis für die unterschiedlichen Gäste und deren Bedürfnisse und klare Regeln helfen, dass alle Gäste sich wohlfühlen.
Alle Gäste glücklich machen – die Balance finden
Die Grundlage für eine erfolgreiche Integration verschiedener Zielgruppen liegt im Bewusstsein der Gastgeber für die Vielfalt der Bedürfnisse. Durch geeignete räumliche Gestaltung, breite Angebote und klare Kommunikation können Gäste unterschiedlicher Lebensphasen und Interessen unter einem Dach die Vielfalt als bereichernd erleben.